Sonntag, 1. August 2010

Der Alltag

Liebes Tagebuch, nun sind wir schon seit 3 Wochen in Auckland. Der Jetlag ist erfolgreich niedergerungen, die Wohnung gefunden und bezogen und die Uni läuft auch. Zeit, um in den allgemeinen Alltagstrott zu geraten. Wir werden sicherlich weiterhin Ausflüge unternehmen und viel feiern, doch sollten auch die kurzen Momente der Normalität Einzug halten. Jeden Tag 3 mal im Restaurant essen gehen ist nich mehr, abends im Pub die Glocke zur Saalrunde läuten fällt auch aus. Es sei denn:



Mmh lecker...jedoch bald Seltenheit? Ein Barbesuch in Parnell...von links nach rechts: Autor, Autorin, Fie(Dk), Roman (Aut), Matze (D), Jannika (D), Micha (D)...Mitte:Nahrung


Erneuter Spendenaufruf:


„Jenny und Basti sind total liebenswerte und verlässliche Menschen? Mit den Beiden hat man immer soviel Spaß? Jetzt könnt Ihr was zurückgeben! Spendet Leute! Erkauft Euch euren Platz im Himmel! Tut es! Schickt euer Geld (…Scheine mit rötlicher bis grünlicher Färbung bevorzugt) an:


„Jenny und Basti speisen gern à la carte e. V.“


Postfach: Argent Hall 11c 2 Eden Crescent Auckland CBD, NZ






Zurück zum Thema: Faden verloren, sorry, ah ja, also Essen gehen nicht mehr so oft. Man weiß jetzt ungefähr, wo und was man einkaufen muss, um über die Runden zu kommen. Einkaufen direkt im Zentrum ist die schlechteste Lösung. Hier werden die Touristen veräppelt und mit denen wollen wir nichts zu tun haben :-). Ein bisschen außerhalb ist es billiger (trotzdem verdammt teuer) und man trifft mal auf Kiwis. In der Innenstadt könnte man auch den Eindruck bekommen, man befände sich in einer japanischen oder chinesischen Großstadt. Reklamen, Restaurants und Gesichter sind fast komplett asiatischer Herkunft. Na ja, schon wieder den Faden verloren…das Einkaufen der Lebensmittel kann eine Herausforderung sein. Was darf man holen, was ist ein “no-go“?


Hier die Hitlist der wichtigsten Lebensmittel:


Wurst-teuer (komisch, hier rennen doch so viele Rindviecher rum)


Käse-teuer (siehe Wurst)


Schafskäse-teuer (unverständlich für ein Land mit der Reputation „10 mal so viel Schafe wie Menschen“ zu haben)


Obst-normal (die Äpfel sind billig, lecker und saftig, Birnen teuer, tropische Früchte billig)


Gemüse-teuer (haben einen Kredit aufgenommen, um unsere Gurkenvorliebe zu finanzieren)


Alkohol-teuer (Man schluckt zweimal ;-))


Rindfleisch-billig (und das ist mal ne gute Nachricht, wir essen ca. einmal pro Woche Rumpsteak, 1 Kg für ca. 10 Dollar)


Schweinefleisch-teurer als Rind (damit bleibt dann wohl der „Status-quo“ erhalten)


Gruenes Gold?
Was sagt uns das? Richtig! Nahrung vollkommen auf Rindfleisch und Äpfel umstellen!






Abseits des Einkaufens gibt es natürlich noch andere Dinge, die im Alltag erledigt werden wollen. Hat schon mal jemand einen Friseur in einer Nicht-Muttersprache um einen Haarschnitt gebeten?


So geschehen in der vergangenen Woche: Matze und ich, zwei junge, moderne, modebewusste Männer, wollten uns die Borsten säbeln lassen. Lustig und erwartungsfroh durch die Straße spazierend haben wir dann auch gleich dem erstbesten Friseur unser Vertrauen geschenkt. Matze wurde sofort von einer jungen Asiatin bedient, während meiner einer nach kurzer Wartezeit von einem jungen Asiaten zum Platz gebeten wurde. Ich wende den Blick vom neuseeländischen Klatschmagazin („Katie Holmes legt auf dem roten Teppich oft die Hand auf Tom’s Brust. Das ist gleichzeitig ein Zeichen für Liebe und Distanz.“…Ah ha!) ab, und sehe meinen Coiffeur. Sofort wird klar, dass wir frisurentechnisch voll auf einer Dauerwelleninie liegen. Bill Kaulitz’s blass geschminktes Gesicht würde erröten, wenn er mit dieser Frisur auftreten müsste. Außerdem ist er ca. 1.35m groß, ohne Frisur 1.20m…Und er ist, nun ja, ein sehr zartes Persönchen. Seine erste Frage, was ich mir so vorstelle, kann ich ihm nicht beantworten, denn ich bin immer noch von seiner Frisur abgelenkt. Es ist wie der Klassiker mit dem Unfall: Man kann nicht hingucken, man kann aber auch nicht weggucken.


 „Ähem, everything a little bit shorter, you know?“


„When was your last cut?“ fragt er mich.


„Wann war dein letzter Cut“ denke ich mir, und sage: „Six weeks, maybe eight!“.


Ihm entfährt ein freudiges „Oh!“. Leicht verunsichert fang ich an zu schwitzen. Was meint er mit „Oh“?


„With machine?“


„Yes on the sides, and back. But not too much. I don’t want the skin to shine trough.“ Er wirkt von meiner Bitte leicht überfordert, ich schwitze nun sehr stark und verabschiede mich innerlich von meiner Haarpracht.


Nicht so viel, rede ich in mich hinein. Und der Friseur scheint verstanden zu haben. Sehr zögerlich, fast zurückhaltend beginnt er mit der Schere zu hantieren. Nur millimeterweise geht es vorwärts. Ich fühle mich jetzt wohler. Nun legt Bill, so hab ich ihn getauft, langsam seine Scheu ab. Immer forscher bedient er das stählerne Schneidwerkzeug. Als er schließlich die Hand mit einer Geschwindigkeit rotieren lässt, die das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann, fang ich wieder an zu schwitzen. Seine Bewegungen und auch seine Mimik erinnern jetzt an Edward mit den Scherenhänden. Nur dass er anstatt einer Ganzkörper-Lederkluft eine Bluse bedruckt mit einem kleinen rosa Hündchen, trägt. Nach ein paar Minuten ist das virtuose Spektakel vorbei. Ich lebe noch, und mein Augenlicht ist auch noch vorhanden. Der erste Blick in den Spiegel erhellt meine Miene. Das hätte schlimmer kommen können. Zufrieden geht’s Richtung Heimat, bis ich an einem Schaufenster eine genauere Inspektion durchführe. Er hat hier und da schon ein paar Stellen übersehen, denke ich mir. Aber trotzdem, is schon okay. Und außerdem wirst Du ja zu Hause von einer liebenswerten Person aufgefangen. Als ich von Jenny begrüßt werde, entgleiten ihr die Gesichtszüge.


„Na ja, doll is ja nich!“ sagt sie. Ich bin natürlich begeistert von dieser Aussage.


Jenny:„Wie viel hast Du denn bezahlt?“


Ich:“25 Bucks.“


Sie: “Was, dafür?“


Ich: „Vielen Dank für die Blumen!“


Ich verkrümel mich in eine Ecke und fange an zu weinen (Nein, mach ich nich, aber ich tu so, um Jenny ein schlechtes Gewissen zu bescheren. Das klappt immer…).


„Was soll ich denn sagen? Soll ich dich anlügen, oder was?“ sagt Jenny.


Ein schlechtes Gewissen klingt anders, denke ich und gebe mich geschlagen. Na ja, hol ich mir morgen eben nen Hut.


Bill Kaulitz, Frisurengott


 

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